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  • Lynn Blattmann

Sozialfirmen kommen


Die EU verfolgt im Rahmen ihres Programms "Beschäftigung und Soziale Innovation" seit Jahren die Entwicklung der Sozialunternehmen in Europa. Im Januar dieses Jahres hat sie einen besonders erhellenden Bericht zur Situation von Sozialunternehmen in Europa publiziert.

Der Titel lautet etwas ältlich: Sozialunternehmen und ihre Ökosysteme in Europa. Die Zusammenfassung dazu ist detailliert und lohnt sich zu lesen.

In Europa gibt es zehntausende Sozialunternehmen, die Zahl steigt rasant. Wobei die Organisation und die Form der Sozialunternehmen so vielfältig sind wie die Gesellschaften, in denen sie entstanden sind. Das Zahlenmaterial dazu ist allerdings unterschiedlich verlässlich. Für Grossbritannien ist das Zahlenmaterial gut: Dort bestanden 2017 rund 30'000 Sozialunternehmen mit ca. 350'000 Mitarbeitenden, in Italien gab es 2017 rund 102'000 Sozialunternehmen mit über 850'000 Mitarbeitenden.

Dank der sozialunternehmensfreundlichen Politik der EU sind viele Initiativen top-down entstanden, andernorts entstehen sie jedoch bottom-up. Privat geführte Sozialunternehmen entstehen nicht nur in sozial saturierten Ländern wie der Schweiz oder Deutschland, sondern ebenso in Ländern mit schwach ausgebauten Sozialwesen. Dort erbringen sie oft Leistungen, die der Staat übernehmen müsste, oft springt der Staat dann später als Zahler ein.

In den 35 Ländern, die bei der Befragung mitgemacht haben, gibt es meist besondere rechtliche Regelungen für Sozialunternehmen. Nicht so in der Schweiz, hierzulande profitieren sie jedoch auch von einer Gewinnsteuerbefreiung, wenn sie Gemeinnützigkeit nachweisen können.

Sozialunternehmen füllen Lücken im öffentlichen Sozialsystem, oder sie übernehmen bisher staatliche Aufgaben, die nach und nach privatisiert wurden. Sie sind primär im Sozial- und im Gesundheitswesen tätig.

Obwohl alle Sozialunternehmen im Dreieck von sozialem Engagement, unternehmerischem Handeln und zivilgesellschaftlicher Governance operieren, sind sie unternehmerisch meist eher schwach aufgestellt. So ist es schwierig für sie, Start-up oder Expansionsfinanzierungen von Banken zu bekommen, da sie meist keine Gewinne erwirtschaften können. Viele Sozialunternehmungen sind auch immer noch an öffentlich rechtliche Vorgaben gebunden, was ihr unternehmerisches Handeln erschwert.

Noch sind wir weit davon entfernt, auch nur ansatzweise ein Benchmarking System etablieren zu können, das die Kosten und die sozialen Leistungen der verschiedenen Anbieter untereinander wirklich vergleichbar machen würde. Hier gibt es also noch viel zu tun. Es lohnt sich jedoch, über die Landesgrenzen zu schauen, denn zu allen teilnehmenden Ländern gibt es auch einzelne Berichte.

Trotz grosser Unterschiede kann man viel voneinander lernen. Zum Beispiel über moderne Instrumente wie Social Bonds oder andere Erfolgsprämien, die bei den Sozialunternehmen mehr unternehmerische Anreize schaffen könnten.

Im Bereich der Sozialunternehmen tut sich also etwas, aber es gibt noch viel zu tun.


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